Einmal Bio und zurück
Meine Geschichte entspricht nicht dem Mainstream und wird das Weltbild manch eines Öko-Ideologen erschüttern. Aber ich halte es für meine Pflicht, gerade jungen Landwirten auch kritische Praxiserfahrungen an die Hand zu geben, denen ansonsten nur eine „heile“ Biowelt suggeriert wird.
Wirtschaftlich dank Subventionen
Als meine Frau und ich uns kennenlernten, waren wir auch im Selbstzweifel, ob denn die konventionelle Landwirtschaft noch auf den richtigen Weg sei. Der Zwang zu rationalisieren um kostengünstiger zu produzieren, zum Wachsen oder Weichen, war ja schon lange zu spüren. Auch die permanente negative mediale Darstellung der konventionellen Landwirtschaft machte einem jungen Paar nicht gerade Lust, den Hof so weiter zu betreiben. Um Erfahrungen zu sammeln pachteten wir einen Ackerbaubetrieb und stellte diesen auf Bio um. Dank der üppigen Ökoprämien ging dies wirtschaftlich auch gut. Die Vorstellung, dass man als Biobauer sein Einkommen endlich wieder mehr durch den Verkauf seiner erzeugten Produkte erwirtschaften kann verblasste aber schnell. Denn alleine durch den Verkauf meiner Produkte wäre schnell klar gewesen, dass dies keine tragfähige Basis wäre. Unser Einkommen erfolgte zwischen 70 und 80 Prozent durch Öko-Subventionen des Staates. Eigentlich also das Gegenteil, von dem was wir uns vorstellten.
Weniger Brot pro Hektar
Auch der Ertrag unseres backfähigen Roggenmehles gab uns stark zum Nachdenken. Denn die Erntemenge im Jahr reduzierte sich auf rund die Hälfte. Zudem benötigten wir wegen „Gesundungsfrüchte“ eine erweiterte Fruchtfolge. Wir konnten also auf der Gesamtfläche nur noch seltener und weniger Brotgetreide erzeugen. Dies bedeutete im Klartext nur noch ein Drittel der Menge von Biobroten aus unserer Fläche! Dies aber bei fast gleichbleibendem Einsatz von Energie für die Bodenbearbeitung. Wie konnte so etwas umweltfreundlicher und nachhaltiger sein? Und wie rechtfertige ich moralisch den niedrigeren Ertrag bei gleichzeitig steigender Weltbevölkerung? Hier kamen die ersten Bedenken, ob wir wirklich das Richtige tun, oder ob wir einer Ideologie hinterherlaufen die sich in der Realität ganz anders darstellt.
Klein aber fein?
Auch die Meinung, dass man im Biobereich auch als kleiner Betrieb eine Daseinsberechtigung und Chance hätte, war ein Trugschluss. Ein Blick in die Statistik zeigte, dass der durchschnittliche Biobetrieb sogar mehr Flächen bewirtschaftet als sein konventioneller Kollege. Der Druck des „Wachsen oder Weichens“ also im Biobereich noch stärker war. Nur Biobetriebe im Einzugsbereich von Großstädten mit Direktvermarktung waren davon ausgenommen. Aber bei uns auf dem Land, mit wenig „Stadtmenschen“ die sich der „Ökowelle“ verschrieben hatten, war wenig Nachfrage. Zudem sind wir auch noch in einem Gebiet mit Böden, die einen Sonderkulturanbau (Gemüse) nicht ermöglichen. Somit sind Alternativen sehr begrenzt.
Bio-Schweine sind nicht glücklicher
Als der Tag der Hofübergabe kam, stand auch die Entscheidung an, den elterlichen Zuchtsauenbetrieb auf Bio um zu stellen. Die obligatorische Strohhaltung im Ökobereich sah zwar sehr kuschlig aus, in Sachen Hygiene und Tiergesundheit aber war es ein Rückschritt. Bei hohen Temperaturen in den Sommermonaten wurde aus der Strohmatratze schnell eine Brutstädte für allerlei Krankheitskeimen. Dies war uns aus der Vergangenheit mit Spaltenboden so nicht bekannt. Dort konnte der Kot und Urin sofort durch die Schlitze nach unten weg und bot somit keine „Nährlösung“ für die Keime.
Zudem konnten die Schweine sich auf den Betonboden abkühlen. Auf der Strohmatratze war dies nicht mehr möglich. Schweine können nicht wie wir Menschen schwitzen, muß man wissen. Alleine durch kühlere Umgebung ist es ihnen möglich die Körpertemperatur zu regulieren. Aus Verzweiflung spielten die Schweine so lange mit den Tränkestellen, bis eine Pfütze entstand um sich darin zu suhlen. Was eigentlich ganz nett klingt, war ein Fiasko. Denn Leptospiren sind Bakterien die genau so eine Umgebung lieben und die Herde infizierten. Diese können auch Menschen infizieren.
Deshalb wurde auch früher eine Leptospirenerkrankung beim Menschen auch als „Schweinehüterkrankheit“ bezeichnet. Kleinste Verletzungen durch normale Rangeleien in der Gruppe wuchsen sich aufgrund der schlechteren Hygiene in der Biohaltung zu massiven Erkrankungen aus. Unser Antibiotikaverbrauch in dieser Ökozeit verdreifachte sich gegenüber unserer Zeit davor als konventioneller Schweinhalter. Totgeburten, mangelnde Muttermilch, Todesfälle brachten meine Frau dazu, dass sie weinend den Stall verließ. Wir wollten eigentlich mehr Tierwohl, erzeugten aber mehr Krankheits- und Todesfälle.
Auch das verfüttern des Ökogetreides hinterließ Spuren. Abgestorbene Ohren- und Schwanzspitzen waren sichere Indikatoren von hoher Pilztoxinbelastung. Wir waren aber offensichtlich nicht die einzigen mit diesen Erfahrungen. Bei einem Treffen der Schweinehalter unseres Bioverbandes wurde uns mitgeteilt, dass leider der Absatz der Bioferkel ins Stocken gerate, und wir selbst schauen müssten, unsere Ferkel konventionell zu vermarkten. Auf die Anmerkung, dass aber konventionelle Ferkel nur mit kupierten Schwänzen genommen werden, stellten andere Ferkelerzeuger fest, dass dies kein Problem wäre, denn auch bei ihnen sterben die Schwänze von alleine ab und fielen dann einfach ab. Gott sei Dank waren wir noch nicht so weit mit unseren Außenauslauf.
Über den Vermarkter erfuhren wir, dass es massive Reklamationen bezüglich der Verwurmung der Bioschweine aus anderen Betrieben gab. Die Spulwürmer schlüpfen im Darm der Schweine und durchbohren die Eingeweide bis sie in der Lunge ankommen. Dort hustet das Schwein sie nach oben und schluckt sie wieder runter, und der Zyklus beginnt von vorne. Beim Durchwandern der Eingeweide durchbohren sie auch die Leber. Da das dunkle Lebergewebe die Bohrkanäle der Würmer dann mit hellen Bindegewebe wieder verschließt, sieht man bei den geschlachteten Tieren helle, kleine Punkte – in Fachchargon „Milkspots“ genannt, auf der Leber.
Nun konnten wir die Stallböden noch desinfizieren und die Schweine entwurmen. Bei einem Auslauf mit Boden zum Wühlen, ist dies aber nicht mehr möglich. Wurmeier können auch bei längeren Frostperioden über Jahre im Boden überleben. Ein frisch entwurmtes Schwein fährt dann einmal mit dem Rüssel durch den Boden und hat sich sofort wieder neu infiziert – ein Systemfehler der nicht behoben werden kann.
Mehr Futter über längere Zeit
Eigentlich wollten wir durch die ökologische und damit extensive Schweinhaltung die Umwelt und Ressourcen schützen. Das Gegenteil war aber der Fall. Ein Tier hat einen Futterbedarf (Erhaltungsbedarf) nur damit der Organismus am Laufen gehalten wird, und es hat einen Leistungsbedarf um Gewicht, Fleisch zuzulegen. Aufgrund der „schlechteren“, extensiveren Haltungsbedingung benötigten unsere Schweine deutlich (20 – 25 %) mehr Lebenstage bis sie endlich das Schlachtgewicht erreichten. Dies bedeutet aber, dass wir diesen Erhaltungsbedarf „sinnlos“ jeden Tag mehr mit füttern mussten. Damit mussten wir also deutlich mehr Futter und Wasser aufwenden, mehr klimaschädliche Gase erzeugen, länger den Stallplatz belegen. Dies bedeutet noch weniger verkaufsfähige Tiere zu haben, oder noch einen Stall dazu bauen, um wieder auf die gleiche Anzahl verkaufter Tiere/Jahr zu kommen. Damit würden wir aber wieder Fläche versiegeln und Natur überbauen.
Aus Tierschutzgründen beendeten wir deshalb unsere Ökozeit und wechselten wieder mit voller Überzeugung auf die konventionelle, umwelt- und tierschonende Haltungsweise zurück.
Die Lücke zwischen Reden und Handeln
Ein einprägsames Erlebnis möchte ich aber noch erzählen. Wir Biobauern waren auch angehalten uns aktiv am Marketing zu beteiligen. Deshalb wurde uns ein kleiner Pappkarton – Verkaufsstand vom Bioverband mitgegeben, um in einem Einkaufszentrum aktiv für die Verkaufsaktion Bioschweinefleisch zu werben. Nun entfernte ich mich von diesem Stand und ging aktiv auf Verbraucher zu, und fragte sie, was sie denn von Ökologischen Landbau und Tierhaltung so hielten, ohne dass sie wussten, dass ich zum Verkaufsstand gehörte. Interessanterweise bekam ich bei 9 von 10 Angesprochenen die Auskunft: „Bio ist super, das ist die Zukunft, das wollen wir“. Dann drehte ich mich um zum Verkaufsstand und eröffnete ihnen: „Das ist super, denn heute haben sie die Gelegenheit Bio-Schweinefleisch in der Aktion zu kaufen“.
Plötzlich waren von den 9 (die ja sagten, dass sie es in Zukunft wollten) nur noch 5 bereit heran zu treten um es in Augenschein zu nehmen. Von diesen 5 sagten 3: „Das ist ja teurer“. „Aber wir hatten doch gerade darüber gesprochen, dass es zwangsläufig teurer sein müsse“ entgegnete ich. Nur zwei waren daraufhin wirklich bereit es dann in ihren Einkaufswagen zu legen. Im Laufe des Tages brachte eine Fleischfachverkäuferin, die ständig die Ware nachsortiert, ein Päckchen Biofleisch zurück. Letztendlich hatte ein Kunde sich keine Blöße geben wollen, und hat es heimlich weiter hinten in eine Kühltruhe gelegt. Fazit: Traue nicht den Lippenbekenntnissen von Umfragen, denn entscheiden könnte sich der Kunde jetzt schon jeden Tag für etwas anderes, wenn er es denn auch wirklich möchte.