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Absurde Schweinerei

12.8.2021

Als Landwirt mache ich mir Gedanken über die Zukunft des Betriebes, der sich auf Schweine (Zucht, Mast) konzentriert hat.

topagrar.com/schweinehaltung-im-duett

Als dieser Artikel 2018 erschien, war die Welt für meine Söhne und unseren Betrieb noch in Ordnung. Die Schweinehaltung war zwar in der Vergangenheit immer wieder mit Höhen und Tiefen im Einkommen verbunden, aber damit wussten wir umzugehen. Hochwertige Lebensmittel bei steigender Weltbevölkerung zu erzeugen, versprach eine wertvolle und sinnstiftende Lebensaufgabe zu sein. Da wir in der Vergangenheit auch über 7 Jahre lang ökologisch wirtschafteten, wussten wir, dass die Biolandwirtschaft in Sachen Klimaschutz, Ressourcenschonung und auch bei Tiergesundheit nicht die Lösung sein konnte. Sogar die Vereinten Nationen, respektive die FAO, hatte ja schon vor Jahren die bevorzugten Regionen der Welt aufgefordert, die Tierhaltung zu intensivieren, um den unvermeidlich ansteigenden Fleischbedarf in den Schwellenländern bedienen zu können. Meine beiden Söhne wähnten sich also auf einen guten Weg und durchliefen die landwirtschaftliche Ausbildung bis hin zum Meister. Dementsprechend wurde der Betrieb unter staatlicher Beratung und staatlicher Förderung ausgebaut.

In den letzten Jahren wurde diese Situation aber durch „Mainstream“-Politik und dem verzerrten Bild durch NGO auf den Kopf gestellt. Plötzlich war nicht mehr die Wissenschaft und messbare Werte Basis für Anforderungen an die Landwirtschaft, sondern „Bauchgefühl“. Jede Woche, so schien es, wurde medial eine andere „Sau“ durchs Dorf getrieben.

Die Verfahrensweise zur Ferkelkastration verdeutlicht dieses Kirchturmdenken. Wir haben in Deutschland inzwischen nicht nur die teuerste Variante (das Narkosegerät kostete über 10.000 €) sondern mit dem Narkosegas Isofluran auch die gesundheitsschädlichste (krebserregend). In anderen Ländern hingegen wird nach wie vor mit CO2, lokaler Betäubung oder nur mit schmerzstillenden Mittel gearbeitet. Was für eine Schweinerei!

Dieses Vorgehen hatte natürlich Konsequenzen: hier hören die Ferkelbetriebe reihenweise auf (ein Minus von über 8% seit November 2020) und die benötigten Ferkel werden nun importiert. Wieder eine Schweinerei!

Fazit: Die Ferkel werden jetzt im Ausland schmerzhafter kastriert und haben zudem noch lange Transportwege vor sich. Und dies alles unter dem Deckmantel des „Tierschutzes“. Lange haben wir versucht den „Tierschützern“ diese negative Konsequenz zu erklären. Erfolglos, denn diese waren nur an einen kurzfristigen, medialen Erfolg interessiert um weiter Spenden sammeln zu können. Ein weiterer „Todesstoß“ war die Änderung der Tierschutz-NutztierhaltungsVO. Durch den dauerhaften Beschuss der „Tierschützer“ wurden Mindest-Stallflächen pro Schwein festgelegt, die jeglicher wissenschaftlichen Basis entbehren und sogar Biobetriebe überfordern. In Sachen Bodenversiegelung, Ressourcenschonung, Treibhausgase und zusätzlicher Phosphorausscheidung ist das alles absolut kontraproduktiv – aber ein Kniefall vor dem „Tierwohl“-Mainstream. Manche Betriebe haben vor 2 Jahren noch mit staatlicher Beratung und Förderung für viel Geld moderne Tierwohlställe gebaut, die jetzt aber nicht mehr den neuen Richtlinien entsprechen. Auch die Banken sind nicht mehr bereit, Geld nachzulegen um nochmals (wenn überhaupt möglich) massive Umbauten vorzunehmen. Dazu kommt das Baurecht, dass nicht an die neuen Forderungen angepasst ist und Neubauten gar nicht zulässt. Was für eine Schweinerei!

Aber neben diesen politischen Unkalkulierbarkeit und mangelnden Vertrauensschutz in staatliche Institutionen, tuen die Markt-„Partner“ ihr übriges. Sie überschlagen sich derzeit mit großen Werbeversprechen ihre „Haltung“ zu ändern. Während die NGO und Medien in ihrer Naivität meinen, der Lebensmitteleinzelhandel wäre nun geläutert und würde nun Tierwohl unterstützen, wissen die Insider, dass dies nur ein gewaltiger Marketing-Gag, ein Greenwashing ist. Nichts, auf dem man als Landwirt seine Hoffnung setzen könnte. Es gibt keine langfristigen Verträge mit besseren, kostendeckenden Preisen, sondern nur hohe Anforderungen und Kosten, die in Vorleistung zu erbringen sind. Und das ist nun wirklich eine absurde, ja perverse Schweinerei!!

Ihr Aldi´s, Lidl´s, Rewe´s oder Edeka´s: Wenn die Bauern morgen mehr Tierwohl liefern sollen, müssen sie für dieses Investment heute Geld verdienen. Ist das so schwer zu verstehen? Ihr seid doch auch Unternehmer!

Wir erleben derzeit den größten Strukturbruch und die Abwanderung der Tierhaltung ins Ausland.  Derzeit geschieht ein Rückbau der Schweinehaltung in Deutschland und ein Ausbau der Schweinehaltung in Spanien. Ist das nicht auch eine perverse Schweinerei? Denn das wird weder den Tieren, noch dem Klima, noch der Umwelt, noch der Lebensmittelqualität und -sicherheit gerecht, vom Verlust vieler Familienbetrieben wie unserer, ganz zu schweigen. Wo sind nun die NGO, die in der Zukunftskommission Landwirtschaft dem bäuerlichen Familienbetrieb die Treue geschworen haben? Und mit der Borchert-Kommission geht es auch nicht weiter, weil niemand die „Transformation“ bezahlen will. Noch so eine Schweinerei!

Bei aller Fokussierung auf das Thema „Tierwohl“ wurden andere Zielkonflikte komplett ausgeblendet.

  1. Flächenversiegelung: Je mehr Quadratmeter ich pro Tier (über deren Sinnhaftigkeit man gerne streiten kann) zugestehe, umso größer müssen die Stallungen gebaut werden.
  2. Mit zunehmender Stallfläche befindet sich auch mehr Kot und Urin an den Oberflächen, damit steigt die Emission von klimaschädlichen Gasen.
  3. Bei Strohhaltung wird dies nochmals verschärft. Zudem erhöht die Strohgabe die Phosphorausscheidungen. Alle Bemühungen in der Vergangenheit durch NP-reduzierte Fütterung den Phosphoranteil in den Ausscheidungen zu reduzieren sind somit eine Farce. Die Einhaltung der verschärften DüngeVO, insbesondere in den gelben Gebieten (Phosphat) wird somit noch problematischer.
  4. Eine Öffnung der Stallungen mit Außenklima ist mit dem Ziel der Emissionsreduzierung nicht vereinbar und genehmigungstechnisch derzeit auch schlichtweg nicht umsetzbar. Sollte der Betrieb zudem in der Nähe eines Ortes liegen ist ein Umbau sogar unmöglich. Denn dann würde eine Aufweichung von der Immissionsrichtlinie eine Abwägung zwischen Tierwohl vs. Menschenwohl bedeuten. Die bisherige Denkweise, möglichst geschlossene Ställe zu bauen um eine Abluftreinigung nachzurüsten, wird mit Offenställen unmöglich gemacht. Ebenso ist eine gezielte, gekühlte Frischluftzufuhr, um in den heißen Sommermonaten die Tiere zu entlasten, nicht mehr realisierbar.
  5. Schweine mit Auslauf ins Freie erhöhen extrem die Gefahr längst vergessene Seuchen wieder aufleben zu lassen. Wie wir unlängst erfahren mussten, passiert dies derzeit genau mit der Schweinepest. Zudem ist eine Bekämpfung von Ratten und Mäusen bei offenen Ställen unmöglich. Somit sind Leptospiren und Salmonelleninfektionen auf Dauer vorprogrammiert. Auch eine wirkungsvolle Bekämpfung von Parasiten ist dadurch unmöglich. Spulwürmer und in der Folge “Milkspots” in den Lebern der Schweine würden wieder zum Alltag werden. Und das wäre nun wirklich ein sichtbarer Rückschritt und kein Tierwohl.
  6. Schon die Einführung der Ferkelkastration nur mehr mit Isofluran-Narkose hat zu einem massiven Verlust von Familienbetrieben geführt, die durch zusätzliche Ferkelimporte ausgeglichen wurden. Was hat dann das Einzeltier gewonnen, wenn es jetzt in anderen Ländern mit deutlich schlechteren Verfahren kastriert wird und anschließend noch einen langen Transportweg vor sich hat?
  7. Eine extensive Tierhaltung bedeutet in der Regel auch schlechtere Leistungen bei den Tieren. Jeder Tag längere Mastdauer bedeutet aber zusätzlichen Futterverbrauch und zusätzliche Emissionen. In Sachen Ressourcen und Klimaschutz wird also der falsche Weg eingeschlagen.

Wenn wir weiterhin glauben, im Alleingang in Deutschland durch Ordnungsrecht den „Tierschutz“ zu erhöhen, dann verkennen wir komplett die wirtschaftlichen Zusammenhänge und geben die Produktion und damit die Kontrolle aus der Hand. Sie wandert ab in andere Länder mit deutlich niedrigeren Standards. Und wenn der LEH außer heißer Luft nicht wirklich belastbare, dauerhaft verlässliche und gerechte Entlohnungsmodelle für die Landwirte entwickelt, werden diese lieber aufhören!

In den letzten 20 Jahren haben in Bayern über 90% der Ferkelerzeuger, die zumeist bäuerliche Familienbetriebe waren, das Handtuch geworfen. Mit den immer neuen Auflagen und Anforderungen vernichtet man also weiter genau die Betriebe, die man (nach Volkes und NGO Meinung) erhalten will. Was für eine Schweinerei!!

Aber vielleicht ist dies ja die eigentliche Strategie der Regierung, der NGO und des LEH – angebliche Probleme mit der Tierhaltung lieber in das Ausland zu verlagern. Und das wäre eine perverse Schweinerei zum Quadrat!

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